Sonntag, 12. April 2009

Philosophie: Locke (I)

Ich habe mich in den letzten Tagen mehr oder minder intensiv mit Sekundärliteratur zum Philosophen Locke beschäftigt. (Warum Locke? Laut eines Facebook Quizzes ist er der Philosoph, der meinen Vorstellungen am nächsten kommt)

Ich denke ich bin nun im großen und ganzen bereit, mir sein Hauptwerk An Essay Concerning Human Understanding selbst vorzunehmen. Hier möchte ich mich mit dem was ich gelesen habe und dem was ich lesen werde auseinandersetzen und dazu meine eigenen Gedanken entwickeln.

Locke beschäftigt sich im Essay mit der Erkenntnistheorie, also Fragen wie "Welche Erkenntnisse sind sicher oder wahr?", "Inwieweit kann ich meinem Weltbild vertrauen?".

Locke geht dabei davon aus, dass es keine angeborenen Ideen gibt. Der Mensch ist also zur Geburt eine Tabula Rasa (daraus folgt, dass Meinungen, die als Begründung angeborene, selbstverständliche, Ideen heranziehen keine Grundlage haben). Der Mensch besitzt allerdings sehr wohl angeborene Fähigkeiten um mit Ideen umzugehen. Er kann z.B. Ideen kombinieren und miteinander in Verbindung setzen.

Locke unterscheidet demzufolge in zwei Arten von Ideen: einfache Ideen und komplexe Ideen, wobei komplexe Ideen aus einfachen Ideen hervorgehen, indem wir mittels unserer Fähigkeiten darauf operieren. Einfache Ideen erlangen wir primär durch Sinneseindrücke (oder alternativ durch das innere Beobachten unserer geistigen Operationen) denen wir durchaus Glauben schenken sollten.

Soweit die Sekundärliteratur. In den nächsten Monaten werde mich dann mit dem Essay selbst beschäftigen.

Zu meinen eigenen Gedanken bis jetzt (diese werden sich vermutlich im Prozess des Lesens noch in großen Teilen ändern):

Ich habe mal versucht die Grundlagen meiner eigenen Überzeugungen aufzustellen. Im Kern liegt dabei die Aussage:

Nehme an, dass Du nicht verrückt bist.

Ich denke, diese Aussage drückt sehr gut aus, dass man im Prinzip seinen eigenen Sinneswahrnehmungen Vertrauen schenken sollte (Es sei denn man hat gute Gründe es nicht zu tun) und genauso im Prinzip seiner eigenen Fähigkeit Konzepte logisch zu entwickeln Vertrauen schenken sollte (Wiedererum kann es gut begründetete Ausnahmen geben). Die Aussage richtet sich vor allem gegen Schmetterlingsfragen:

Bin ich Tschuang Tschou, dem träumte, ein Schmetterling zu sein, oder bin ich ein Schmetterling, dem träumte, Tschuang Tschou zu sein.

Ohne gute Gründe für das Gegenteil sollten wir also immer davon ausgehen, Tschuang Tschou zu sein.

Davon ausgehend muss man nun die Philosophie von der Psychologie absetzen und ich denke dort ist der klarste Schnitt, wenn man die Philosophie zu einer reinen Geisteswissenschaft, wie die Mathematik erklärt. Also:

Ist ein Experiment denkbar, mit dem man eine Aussage empirisch nachprüfen kann, so ist es keine philosophische Aussage.

(da aus der ersten Aussage folgt, dass wir dem empirischen Prozess im Grunde vertrauen sollten. Natürlich ist es über empirische Prozesse nur möglich, Wahrscheinlichkeiten herauszufinden, keine festen Wahrheiten)

Kommen wir zu Locke zurück. Wir können uns das Bewusstsein als umgeben von einem dicken Ring an verschiedenen äußeren Gegebenheiten vorstellen. Eindrücke von der äußeren Welt werden über Sinne aufgenommen, durch verschiedene unterbewusste Prozesse (hier würden auch soziokulturell erlernte Prozesse liegen, denen wir uns nicht bewusst sind) modifiziert und schließlich dem Bewusstsein als ein "Datenpunkt" präsentiert. Diese Datenpunkte korrespondieren mehr oder weniger zu den einfachen Ideen, die unbewusste Schale mehr oder weniger zu den (teilweise angeborenen) Fähigkeiten. In dieser Hinsicht kann man also zu Beginn des Lebens tatsächlich von einer Tabula Rasa sprechen. Zudem sind empirische Aussagen über das Gehirn immer nur Aussagen über die Schale, niemals über das Bewusstsein.

Eine Hauptaufgabe des Bewusstseins ist es nun, anhand dieser Datenpunkte zu entscheiden, welche Datenpunkte es annimmt und welche es als falsch zurückweist. Dazu ist es sinnvoll einzelne Punkte zusammenzufassen und so komplexe Konzepte zu bilden.

Dies setzt natürlich die Existenz eines freien Willens im Bewusstsein voraus. Man könnte sich theoretisch auch einen Geist vorstellen, der nur aus unbewusster Schale besteht und quasi automatisch zu seinen Entscheidungen kommt. Ein Zombie im philosophischen Sinn.
Nimmt man allerdings nun die Nichtexistenz des freien Willens an, so verliert die gesamte Philosophie (und alles andere) jegliche Bedeutung: Wir sind vorherbestimmte Automaten in einer vorherbestimmten Welt.

Deswegen kann man als philosophierender Mensch nur annehmen:

Es macht fundamental keinen Sinn, am eigenen freien Willen zu zweifeln.

Und da es keinen guten Grund gibt anzunehmen, dass man sich selbst fundamental von anderen Menschen unterscheidet, sollte man auch diesen ihren freien Willen gönnen.

1 Kommentar:

Dirk Meister hat gesagt…

Ich habe Locke's "Zwei Abhandlungen über die Regierung" gelesen und fand es auch wirklich interessant zu lesen. Man muss sich nur bewusst machen, dass die Ideen damals alle wirklich neu waren.