Freitag, 20. Februar 2009

Der Geschmack von Apfelkernen

Ich stand am Gartenzaun und tastete nach meiner Stirn. Ich musste an andere Wunden denken. Jahrelang hatte ich mich geweigert, das zu tun. Die Wunden kamen frei Haus, die hatte ich mitgeerbt. Und ich musste sie mir wenigstens einmal ansehen, bevor ich wieder das Pflaster der Zeit draufkleben durfte.


Bootshaven. Ein kleiner Ort irgendwo in Niedersachsen und die Heimat von Iris Familie. Bootshaven. Der Ort an dem Iris Großmutter Bertha nachdem sie lange an Alzheimer gelitten hat stirbt, und Iris ihr Haus vermacht. Bootshaven. Der Ort an dem Iris Mutter mit ihren Schwestern Harriet und Inga aufwächst, wo Inga eine Affäre mit dem Tankwart Peter Klaasen hat und Harriett ihre uneheliche Tochter gebärt. Bootshaven. Der Ort an dem Bertha und ihre Schwester Anna aufwachsen und eine Dreiecksbeziehung zu ihrem Lehrer Lexow haben, der vielleicht Ingas Vater ist. Bootshaven. Der Ort an dem Iris all diese Geschichten entdeckt und auch die Wunden in ihrer eigenen Vergangenheit wieder aufreißt.

Der Geschmack von Apfelkernen erzählt viele Geschichten. Eingewickelt in eine etwas kitschige Liebesgeschichte zwischen der Erbin Iris und Max, dem kleinen Bruder einer früheren Freundin, erfahren wir die Geschichten der Familie von Iris über drei Generationen hinweg: Von den Großeltern Bertha und Hinnerk über die Generation der Eltern, geprägt durch die drei Geschwister Christa, Inga und Harriett bis hin zu Iris eigener Generation und ihrer Kindheit.

Der Geschmack von Apfelkernen wechselt oft die Zeit: Es wird stets in der Gegenwart erzählt, egal welche Geschichte in welcher Generation gerade an der Reihe ist. Aber man gewöhnt sich daran und das Buch ist deswegen keineswegs sehr kompliziert zu lesen.

Am Ende wäre ich gerne mal bei diesem Haus in Bootshaven gewesen und wäre dort durch die Räume gelaufen um die Geschichte in mir aufzunehmen.

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