Sonntag, 6. Dezember 2009

Datenkrake Google?

Nach langer Zeit habe ich mich entschlossen, wieder einen Artikel hier einzustellen.

In den letzten Wochen und Monaten und eigentlich auch schon seit längerem bekomme ich verstärkt den Eindruck, das Google von vielen meiner Kommilitonen vor allem als eine Datenkrake angesehen wird. Teilweise wurde ich nach meinem Praktikum sogar als gehirngewaschen bezeichnet (eine sehr einfache Position: Egal was ich sage. Der Grund ist die Gehirnwäsche. Allerdings übersehen diejenigen, dass ich bereits vor meinem Praktikum von Google überzeugt war).

Ich möchte hier deswegen (und weil viele auch aus Höflichkeit dieses Thema nicht direkt ansprechen wollen) versuchen, ein kohärentes Argument zu formulieren, warum ich diese Bedenken nicht teile. Ich würde mich freuen, wenn in den Kommentaren eine Diskussion über das Thema zustande kommt.

Kümmert sich Google nicht um Privacy?

Google ist immer noch eine junge Firma. Privacy wurde, gerade in den ersten Jahren, noch nicht als ein Kernthema angesehen. Man hatte eine Suchmaschine, dann kam ein Email-Dienst hinzu und schrittweise folgten mehr und mehr Dienste und Services. Privacy war zu diesen Zeiten noch kein großes Thema und wurde in diesem Durcheinander schlichtweg übersehen.

Dies ändert sich zur Zeit. Google hat hier eine Übersichtsseite eingerichtet, auf der sich jeder informieren kann, welche Informationen Google genau über ihn speichert. Außerdem können dort die Datenschutzbestimmungen aller benutzten Services eingesehen werden. Google erklärt außerdem in seinen Datenschutzbestimmungen hier genau, zu welchem Zweck Daten gesammelt werden. Im Hinweis für GoogleMail steht z.B.

Die Computer von Google werten die Informationen in Ihren Nachrichten aus verschiedenen Gründen aus, unter anderem zur Formatierung und Darstellung der Informationen für Sie, zur Schaltung von Anzeigen und verwandten Links, zur Vermeidung von unerwünschten Massen-E-Mails (Spam), zur Sicherung Ihrer Nachrichten und zu anderen Zwecken im Zusammenhang mit dem Angebot von Google Mail.

Man beachte dabei, dass hier von einer Auswertung von Computer gesprochen wird. Menschen schauen sich die Mails ohne weiteres garnicht an.

Auf die Auswertung durch Computer zu verzichten ist illusorisch: Googles Geschäftsmodell ist es, Geld mit dem Schalten von kontextueller Werbung zu verdienen. Der Kontext kann aber nur bestimmt werden, wenn eine Mail ausgewertet werden darf. Auch die Spambekämpfung kann nur effektiv durchgeführt werden, wenn Emails ausgewertet werden dürfen.

Desweiteren wird (selbstverständlich) auch der Verkauf von Daten an Dritte ausgeschlossen:

Auf keinen Fall verkaufen oder vermieten wir Ihre persönlichen Daten oder geben sie auf andere Art an Dritte weiter, außer in den wenigen in den Google-Datenschutzbestimmungen beschriebenen Fällen, wenn wir z. B. glauben, dass dies aus gesetzlichen Gründen erforderlich ist.

Fehler in Datenschutzbestimmungen und Nutzungsbedingungen werden behandelt, wie technische Fehler auch und möglichst schnell behoben. Es ist im Leben allgemein meistens ratsamer Dinge, die durch Fehler erklärt werden können, nicht allzuschnell als Bosheit einzustufen.

Die üblichen Anmerkungen zu diesen Argumenten sind vor allem, dass man ja nicht wissen könne ob Google sich tatsächlich an diese Bestimmungen hält. Dies führt uns zu meinem zweiten Punkt.

Welche Motivation hat Google eigentlich, meine Daten auszunutzen?

Google ist umgeben von einem Schwarm an Medien, die sich auf jeden Fehler, die das Unternehmen macht stürzen werden. Große Medienmogule wie Murdoch sind von Google verärgert und werden sicher keine Panne verheimlichen. Ein Skandal um mißbräuchlich verwendete Daten wäre extrem schlecht für Google: Google verdient mit jedem Klick auf eine Werbeanzeige. Weniger Kunden für Google bedeuten direkt weniger Geld für das Unternehmen.

Stehe ich vor der Alternative, einen Email-Account bei Google oder aber bei einem kleinen Drittanbieter einzurichten, halte ich meine Daten bei Google sogar für deutlich besser aufgehoben. Je kleiner ein Unternehmen ist, desto größer ist die Gefahr, dass es bald von einem der großen Spieler aufgekauft wird. (Viele Start-Ups werden sogar mit dem Ziel gegründet irgendwann für ein paar Millionen aufgekauft zu werden) Wird aber mein Email-Anbieter gekauft, so sind meine Daten plötzlich bei einer dritten Partei, mit der ich vorher nichts zu tun hatte. Ein Risiko das ich minimieren kann, wenn ich mein Konto bei Google, als einer sehr großen und stabilen Firma führe.

Schlimmer noch: Wenn eine kleine Firma sich dazu entscheidet, meine Daten mißbräuchlich zu verwenden, risikiert sie wesentlich weniger als Google, da die Medien dem Skandal nicht im selben Maße Aufmerksamkeit schenken werden. Eine kleine Firma ist meiner Meinung nach deswegen wesentlich unsicherer als Google.

(Es gibt hier sicher noch einige Alternativen die man durchdenken kann, aber ich möchte den Post nicht allzulang werden lassen.)

Abschließende Worte

Ich denke, dass große Firmen (vielleicht sogar speziell große Computerfirmen, denn ein ähnliches Schicksal haben früher auch IBM und Microsoft erlitten) generell schnell das Ziel einer gewissen Art von Paranoia werden. Computerprogramme sind ein wenig wie (die Vorstellung von) Magie: Unheimlich komplex und potentiell sehr mächtig. Computerprogramme die gleichzeitig auf tausenden von Computern laufen und Petabytes an Daten verwalten um so mehr.

Menschen haben Angst vor komplexen und undurchsichtigen Dingen. Deswegen werden große Firmen selbst bei besten Intentionen (Ich bin fest überzeugt, dass sehr viele der Mitarbeiter Googles tatsächlich die Welt verbessern wollen) schnell Ziel einer modernen Form der Hexenjagd: Ohne sich tiefergehend mit der Materie zu beschäftigen werden sie als unheimliche, dunkle Krake dargestellt, die in tiefen Abgründen hockt und nur darauf wartet, alle Daten derer sie habhaft werden kann möglichst gewinnbringend zu verkaufen.

6 Kommentare:

Stefan Münz hat gesagt…

Du bist nicht allein:

http://webkompetenz.wikidot.com/blog:71

Nicolai Hähnle hat gesagt…

Danke für die Perspektive. Es ist sicherlich so, dass viele Menschen vollkommen überzogen große Firmen zu Engeln oder Teufeln stilisieren. Das gilt traditionell für Microsoft, IBM, Apple, etc., und nun eben auch für Google.

Aber es ist ja Tatsache, dass zumindest Google CEO Eric Schmidt keinen Respekt für die Privatsphäre hat. Ich zitiere: "If you have something that you don't want anyone to know, maybe you shouldn't be doing it in the first place." (Sekundär-Quelle, da sie gleichzeitig eine gute Antwort auf diese verwerfliche Haltung bietet). Wenn man es mit der Privatsphäre ernst meint rutscht einem sowas auch nicht aus Versehen über die Lippen.

Dass wahrscheinlich die Mehrheit der Mitarbeiter bei Google das gar nicht so meint würde ich nicht in Frage stellen. Aber wie heißt es so schön? Das Gegenteil von gut ist nicht böse, sondern gut gemeint.

Du selbst bist ja wahrscheinlich immer noch gut auf der Google-Schiene; ich wünsche dir damit viel Erfolg, und wahrscheinlich wirst du dabei viel Gutes tun (wahrscheinlich mehr als ich mit einer Mathematik-Promotion). Die Frage ist nur die: eines Tages wirst du womöglich in einer Situation sein, in der du eine wichtige Entscheidung zu diesem Thema treffen kannst; wirst du dann erstens überhaupt erkennen, dass du in dieser Situation bist? Und wirst du zweitens die richtige Entscheidung treffen, auch wenn sie gegen den Strom geht?

Ich hoffe es sehr, also pass auf dich auf.

Foennix hat gesagt…

Hm,

Wenn man es mit der Privatsphäre ernst meint rutscht einem sowas auch nicht aus Versehen über die Lippen

Es ist denke ich gerade bei soetwas ein Versehen, wenn es einem über die Lippen kommt.

Diese Aussage hat Google nicht gerade genützt. Ich glaube kaum das Eric Schmidt sie sehr wohlüberlegt gemacht hat.

Die eigentliche Tatsache ist, dass Talkshows und Interviews in den USA wesentlich weniger durch die Befragten kontrolliert werden. Deswegen passiert es dort häufiger, dass Menschen etwas unüberlegtes über die Lippen kommt.

Ich kann mir jedenfalls gut vorstellen, dass in diesem Satz ein wenig Frustration mitklingt darüber, wie Google inzwischen oft dargestellt wird. Ich würde auf keinen Fall mein Bild über die Firma an einem Satz in einer Talkshow festmachen.


Dass wahrscheinlich die Mehrheit der Mitarbeiter bei Google das gar nicht so meint würde ich nicht in Frage stellen. Aber wie heißt es so schön? Das Gegenteil von gut ist nicht böse, sondern gut gemeint.


Das lässt sich über alles und jedes sagen... ich muss nur "Mitarbeiter bei Google" durch Journalisten, Mathematiker, ... ersetzen.


Die Frage ist nur die: eines Tages wirst du womöglich in einer Situation sein, [...]

Ich hoffe es sehr, also pass auf dich auf.


Das trifft auch auf jeden zu. Eigentlich hat dieser Abschnitt nichteinmal eine richtige Aussage. Um ehrlich zu sein ist das eine Sorte von Ratschlag die ich mir vielleicht von meinem Großvater anhören würde aber nicht von jemandem mit höchstens gleicher Welterfahrung. Abgesehen davon ist meine Entscheidung für Google im Moment anscheinend gegen den Strom.

Ich hoffe jedenfalls auch, dass du auf dich aufpasst.

Nicolai Hähnle hat gesagt…

Es ist denke ich gerade bei soetwas ein Versehen, wenn es einem über die Lippen kommt.

Was ich sagte war, dass einem so etwas nicht aus Versehen herausrutscht, wenn man es mit Datenschutz ernst meint. Dass es sich jemand von Google nicht leisten kann, so etwas absichtlich zu sagen, ist doch sowieso klar.

Um das zu veranschaulichen: Wenn man es ernst meint hat man andere Gedanken im Kopf und sagt dementsprechend anderes; z.B., dass es Möglichkeiten gibt, die Daten, die man über sich selbst preisgibt, zu kontrollieren, vielleicht mit Verweis auf entsprechende Dokumentation, die Google selbst ja in gewissem Rahmen bereitstellt.

In der Hinsicht bezüglich Dokumentation von Datenschutzfragen finde ich Google übrigens eher vorbildlich. Die meisten anderen Webseiten verstecken diese Dinge ja lieber.

Was den Rest angeht: ja, das trifft auf jeden zu, auch auf mich, wie ich leider aus eigener Erfahrung weiß. Ich hoffe allerdings, dass deine Reaktion nur deshalb so ausgefallen ist, weil es eine Reaktion auf mich war (insbesondere der Großvater-Kommentar ist doch etwas albern).

[Ja, ich habe mich davon wahrscheinlich auch etwas beeinflussen lassen.]

Ulf hat gesagt…

Wie recht du hast. Ich habe auch gerade etwas zu dem Thema geschrieben:

http://www.netzlogger.de/2009/12/pro-und-contra-google_12.html

Mal schauen, wann wir ängstlichen, konservativen Deutschen das endlich gesammelt verstehen. Solange die BILD das größte Blatt Deutschlands ist, sehe ich dafür aber schwarz. Ich schweife ab...

Foennix hat gesagt…

Hm,

Der Punkt das er es nicht absichtlich gesagt hat war mir eigentlich auch eher eine Nebensache.


Um das zu veranschaulichen: Wenn man es ernst meint hat man andere Gedanken im Kopf und sagt dementsprechend anderes.


Mein Hauptanliegen war es, dass man nicht so ohne weiteres sagen kann, das man in einer solchen Situation andere Gedanken im Kopf hat. Es kommt oft genug vor, dass Menschen in Stresssituationen Dinge sagen, die aus Frustration entstehen oder aber sonstwie gerade nicht ihre eigentlichen Überzeugungen ausdrücken.

Was ich eigentlich sagen will ist, dass es unmöglich ist anhand einer vereinzelten Aussage sehr tiefgehende Rückschlüsse auf die "eigentlichen" Gedanken einer Person zu machen.


Ich hoffe allerdings, dass deine Reaktion nur deshalb so ausgefallen ist, weil es eine Reaktion auf mich war (insbesondere der Großvater-Kommentar ist doch etwas albern).


Ich glaube du liest da zuviel hinein (Oder vielleicht habe ich dich da auch falsch interpretiert). Was ich sagen wollte:

Du gibst mir ohne tiefere Erläuterung den Ratschlag auf mich aufzupassen und (implizit) gegen den Strom zu schwimmen.

Ratschläge ohne Begründung nehme ich normalerweise nur von Menschen an, denen ich aufgrund ihrer Lebenserfahrung sehr weit vertraue (versinnbildlicht durch meinen Großvater).

Du gehörst nicht zu diesen (extrem wenigen) Menschen. Das sehe ich nun nicht unbedingt als ad hominem zumal weder der Ratschlag noch mein Kommentar darauf überhaupt ein Argument waren.