Von 1652 bis 1684 hatte Locke ein Studentship am Christ Church College in Oxford inne. Wenn man aber von Lockes Oxford Periode spricht, so meint man meist die Zeit von 1652 bis 1667, da er danach die meiste Zeit beim Graf von Shaftesbury in London verbrachte.
Ein Studentship an der Christ Church ist zu vergleichen mit einem sogenannten Fellowship an anderen Colleges: Eine Art Stipendium, verbunden mit einem Gehalt und gewissen Rechten und Pflichten. Der Unterschied zwischen den Studentships der Christ Church und den Fellowships anderer Colleges in Oxford war, dass erstere keinen Einfluss auf die Verwaltung von Christ Church hatten. Inhaber eines Studentship waren wiederum aufgeteilt in drei Gruppen: Scholares, Philosophi und Theologi mit jeweils wachsendem Einkommen und auch wachsenden Pflichten. Das erreichen der jeweils höheren Gruppe hing dabei allein vom Alter ab.
Locke wurde dabei, wie jährlich 5-6 andere Schüler von Westminster School, für ein Studentship ausgewählt. Bis 1667 verliefen seine Studien in normalen Bahnen: 1659 gehörte er zu den Philosophi. Als Philosophus ist er 1661/62 Dozent für Griechisch und 1663 Dozent für Rhetorik. Im Jahr 1664 ist er Zensor für moralische Philosophie, ein erster Hinweis auf seine späteren Interessen. 1665 wird er Theologi und wird 1666 durch eine köngliche Befreiung von vielen damit einhergehenden Pflichten befreit.
Lockes Interessen in dieser Zeit sind vor allem auf die Medizin (und zu geringerem Grade auf die Chemie) gerichtet. Er liest viel von Boyle zu Themen der experimentellen Philosophie, die später einmal zu den Naturwissenschaften werden soll. Boyle war auch sein wissenschaftlicher Mentor in seinen Studien.
Etwa um 1660 beginnt Locke auch Descartes zu lesen und hat so (auch wenn er eher an Descartes Gedanken zur experimentellen Philosophie interessiert ist) seinen ersten Kontakt mit Erkenntnistheorie im philosophischen Sinn. Descartes wird nach Boyle der zweite Mann, der ihn maßgeblich beeinflussen wird.
Locke ist einzigartig dadurch, dass er nicht über die Physik oder die Mathematik (wie Leibniz, Descartes) zur Philosophie kommt, sondern über die Medizin und die Chemie. Bis 1667 behandelten fast 50% der von ihm gelesenen Bücher Medizin und weitere 15% die Naturwissenschaften. Die Philosophie nimmt zu diesem Zeitpunkt erst knapp 5% seiner Bibliothek ein.
Es ist nun eine Randnotiz wert, darüber zu sprechen, wie heutige Historiker an derart genaues Wissen über Lockes Interessen kommen. Locke hatte die Angewohnheit (neben Briefen und Tagebüchern) sogenannte Commonplace Books zu führen. Ein Commonplace Book ist ein Buch in dem man interessante Argumente / Zitate / Gedichte / ... aus anderen Büchern, die man gerade liest, aufschreibt. Dies macht man normalerweise nach einem System, damit man seine Zitate auch wiederfindet. Für Historiker ist so ein Buch natürlich eine wertvolle Quelle (allgemein sind von Locke sehr viele Commonplace Books, Briefe und Journale erhalten geblieben) und, wie ich finde, ist es auch ein schöner Brauch, so ein Buch zu führen.
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